CDs
I
NEUES
AUS
DER
MUSIKWELT
OLDIES
von Franz
Schöler
Franz Schöler ist seit über
40 Jahren aufmerksamer
Beobachter der Musiksze-
ne. In STEREO kommen-
tiert er neu erschienene
Aufnahmen der Rock- und
Popgeschichte.
U
2
ACHTUNG BABY -
DELUXE EDITION
Island 2 CDs (auch als LP erhältlich) (118')
REPERTOIREWERT
★★★★■<
ÜBERSPIELQUALITÄT ★★★
In dieser Ära der „Super Deluxe“-
Ausgaben wollte man im Ü
2
-Lager
einen neuen Rekord aufstellen: Zum
20
-jährigen Jubiläum präsentierte
man „Achtung Baby“ in nicht weni-
ger als fünf verschiedenen Versio-
nen - darunter die so genannte
„Über Oeluxe Edition“ (sic!) zum sa-
genhaften Preis von
500
Euro. Das
; sind gerade mal
200
Euro weniger,
als man für das „The Complete Elvis
Presley Masters“-Set - auf Dutzen-
den CDs die
711
„final master“ als
Elvis' komplettes Vermächtnis in
vorzüglichem Remastering - hin-
blättern muss!
Klangliche Korrekturen dessen,
: was den Herren Lanois und Eno sei-
5
nerzeit einen Grammy in der Kate-
: gorie „best producer (non-classi-
:
|
cal)“
beschert
hatte,
erklärte
Dave Howell Evans alias The Edge in
diesem Fall für überflüssig: Remas-
I tering fand hier gar nicht statt! Die
; Korrekturen beschränken sich auf
j besseren Abgleich zwischen den
|
(Maximal)Pegeln
der
einzelnen
! Tracks, ohne die nachträglich mit
I noch mehr Kompression klanglich
i zu verschlimmbessern. Dass man
; zumal bei Songs wie „One“ durch
Remixes nichts hätte optimieren
I können, kann man auch als from-
: men Wahn des Gitarristen betrach-
ten. Das Gegenteil belegten kürzlich
; eindrucksvoll Remixes von „Aqua-
! lung“, „Quadrophenia“ und „Wish
You Were Here“.
OLDIE
d
e
Tim Buckley
TIM BUCKLEY
Rhino Handmade 2 CDs (auch als LP) (123 )
REPERTOIREWERT
★ ★★★*
ÜBERSPIELQUALITÄT ★★★■<
ORIGINAL ALBUM SERIES
Rhino 5 COs
(202 )
REPERTOIREWERT
★★★★★
ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★
Die Konkurrenz war groß, als Jac Holz-
man und Paul Rothchild sich des un-
gemein talentierten Tim Buckley an-
nahmen, um dessen Debüt für ihr
Elektra-Label zu produzieren. Von Bob
Dylan oder Debütanten wie Leonard
Cohen unterschied sich der junge
Songschreiber aber durch ein einzig-
artiges Talent: Mehr Beicanto als bei
S
MONATS
ihm hatte man in populärer Musik sel-
ten gehört. In ihrer „Rock Encyclope-
dia“ notierte die Kritikerin Lillian Ro
xon
1969
- in den Liner Notes zur De-
luxe-Ausgabe des Debüts wieder zi-
tiert - über den begnadeten Song-
poeten: „Women tend to play his re-
cords
30
times over in one setting.“
Was man wenig später wohl auch von
Cat-Stevens-LPs konstatieren konnte.
Aber so betörend wie Orpheus sang
damals allein Buckley. An dessen
Band, den Bohemians, war Manager
Herb Cohen nicht interessiert. Die
spielte zwar gelegentlich in Clubs live
mit Musikern der Mothers of Inventi-
on, die bei Cohen damals unter Ver-
trag standen. Aber Elektra- Boss Holz-
man „verkaufte“ Buckley trotzdem
lieber als angehenden Solostar.
Für das Debüt hatte Buckley weit-
hin neue Songs parat. Was für eine
rasante künstlerische Entwicklung
er damals durchmachte, kann man
im Vergleich der Bohemians- und der
Solo-Demos, des als Luxus-Edition
in der „Handmade“- Serie von Rhino
Wie so manche arg dem Zeitgeist
verhafteten Maxi-Mixes der Rolling
Stones klingen auch die von U
2
auf
der Bonus-CD wie anachronisti-
sche Fingerübungen der Discjo-
ckeys. „Eigenwillig“ ist das Beste,
was man zur Coverversion von Lou
Reeds „Satellite Of Love“ sagen
kann. Über die von John Fogertys
„Fortunate Son“ schweigt man
besser höflich. Einziges hier erst-
mals zu hörendes Outtake ist
„Blow Your House Down", unter
den stilistisch so disparaten Auf-
nahmen der „Achtung Baby“-Ses-
sions das konventionellste, aber
deswegen nicht übelste Stück Rock
‘n’ Roll.
wiederveröffentlichten
Erstlings-
werks, dem
2009
erschienenen Mit-
schnitt „Live at The Foikore Center,
NYC, - March
6
.
1967
" und den fol-
genden Meisterwerken ermessen.
Die ersten fünf LPs sind neuerdings
in der „Original Album Series“ -
nachdrücklich empfohlen! - als CD-
Set spottbillig zu haben. Zwei Songs,
die er während der Zeit mit den Bo-
hemians schrieb, nahm er für das
Debüt auf. Warum er die meisten
übrigen mehr oder weniger als Fin-
gerübungen betrachtete, wird hier
recht deutlich, auch wenn er manche
leidenschaftlich vorträgt wie beim
Mitschnitt vom März
1967
: Trotz
hochkarätiger Session-Cracks (Van
Dyke Parks, Jack Nitzsche u. a.) mu-
ten viele Aufnahmen der Debüt-LP
kurioserweise schon wieder wie De-
mos an im Vergleich zu den faszinie-
renden konzertanten Live-Versio-
nen, die nach seinem Tod erschie-
nen. Schon mit op.
2
„Goodbye and
Hello“ verabschiedete sich Buckley
endgültig von seiner Folk-Phase.
І Ben Felds
THE BEST IMITATION OF MYSELF:
A RETROSPECTIVE1991-2011
j Epic/Sony Import 3 CDs
(142')
REPERTOIREWERT
★★★★
I ÜBERSPIELQUALITÄT ★★★Y
I Skrupulöser und trefflicher ausge-
; wählt hat bislang noch nie jemand ei-
: ne Zwischenbilanz seines Schaffens
: gezogen als hier Ben Folds mit einem
:
3
-CD-Set. Die erste davon - so etwas
! wie seine eigene, subjektive Best-of-
; Nachlese aus den Aufnahmen mit Ben
І Folds Five und den Solojahren danach
j - gibt es auch einzeln als CD. Auf der-
j selben
dabei
sind
auch
rare
; Singles. Erstmals überhaupt gibt’s
: „Still Fighting It“ als Oultake der
і „Rockin' The Suburbs“-Sessions, das
і
2011
mit den Five originalbesetzt auf-
І genommene „House“ ist einer von
I drei brandneuen Songs. Alles andere
I als die übliche Best-of-Rückschau al-
: so, die objektiv betrachtet durchaus
auch noch Lücken aufweist. Denn
|
nicht nur von besagtem Solodebüt,
; sondern auch von anderen Alben gibt
; es auf der zweiten CD schlappe
21
Lieblingsaufnah-
*
*
men ausgewählt
V
У *■
von seinen Fans:
Г І -
in Live-Fassungen.
: / -
- W
/ •
Um eine Elton-
John-Hommage
handelt es sich bei
„Fred Jones Part
2
“: einem Live-Mitschnitt mit dem
West Australian Symphony Orchestra,
bei dem das Arrangement gänzlich
hemmungslos von denen seines
„Freundes Paul Buckmaster“ inspi-
riert ist, die dieser für Elton Johns
zweite und dritte LPschuf. Dass man-
che Live-Aufnahmen gerade mal ge-
hobene Bootleg-Qualität aufweisen -
wie die im Duett mit Rufus Wainwright
gesungene Coverversion von „Care-
less Whisper" -, spielte bei der Aus-
wahl die geringste Rolle. Von „The
Best Imitation Of Myself“ (exzellent
und komplett produziertes „Demo“
von
1992
) bis zum neu als Ben Folds
Five aufgenommenen
„Stumblin'
Home Winter Blues“ bietet die dritte
CD so viele exquisite Raritäten unter
den
22
Aufnahmen, wie man sie in
dieser Fülle selten findet. Die beste
Gelegenheit überhaupt, Pop-Meister
Folds neu oder wieder zu entdecken.
* * * * * hervorragend I * * * * sehr gut I ★ * * solide I * * problematisch I * schlecht
3/2012 STEREO 127
vorherige seite 126 Stereo 2012-03 lesen sie online nächste seite 128 Stereo 2012-03 lesen sie online Nach hause Text ein/aus